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Hartheim wehrt sich

Badische Zeitung, 15.11.2013

Die Gemeinde möchte keine neue Kiesgruben auf ihrer Gemarkung und erhebt Einwendungen gegen den Regionalplan.

Keine weitere Kiesgrube in Hartheim und Vorrang für die Ausbeutung bestehender Abbauflächen – das ist das Resultat der Beratungen des Gemeinderats mit Blick auf den Regionalplan sowie die beantragte Abbaukonzession der Firma Holcim für die Kiesgrube beim Weinstetter Hof. Das bedeutet, dass Hartheim sich gleich zweifach zur Wehr setzen muss: einmal gegen die Ausweisung im Regionalplan, außerdem gegen eine Erweiterung des Abbauareals der Holcim.

Hartheim will sich nun im Zuge des wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahrens gegen einen Neuaufschluss von Gelände beim Weinstetter Hof zur Wehr setzen. Des Weiteren pocht Hartheim im Rahmen des laufenden Raumordnungsverfahrens zur Änderung des Regionalplanes auf die Herausnahme von neuen Kiesabbauflächen auf Gemeindegemarkung. Gründe gibt es dafür nach Ansicht der Hartheimer genug: Landwirtschaft, Verkehr, Lärm, Naturschutz.

Mehr als 100 Lkw-Transporten könnten täglich anfallen, würde die Firma Holcim ihre Pläne realisieren, dies erklärte der Rechtsbeistand der Gemeinde Hartheim, Tobias Lieber von der Freiburger Kanzlei Schotten, Friedrich, Bannasch in der Sitzung am Dienstagabend. Das sei weder sinnvoll noch nachhaltig, befand Rechtsanwalt Lieber und ergänzte, dass bezüglich der geplanten Abbauflächen auch die Belange des Raumordnungsverfahrens tangiert seien. Überschritten die ausgewiesenen Flächen den Bestand doch erheblich, somit seien sie nicht mit dem Regionalplan vereinbar. Für die Landwirtschaft könne dies einen Flächenverlust von rund 48,5 Hektar bedeuten, so Lieber.

Sinnvoller sei es, vorrangig die bestehenden Kiesgruben auszubeuten. "Erheben Sie Einwendungen gegen den Antrag", riet Lieber, "eine Stellungnahme der Gemeinde reicht nicht, das ist nur ein erster Schritt in der Anhörung der Träger öffentlicher Belange", meinte er, und empfahl, im Zuge des öffentlichen Anhörungsverfahrens weitere Einwendungen beim Landratsamt geltend zu machen. Der Anwalt gab zu bedenken, dass das Landratsamt nach dem Planfeststellungsverfahren Entscheidungsspielraum über die Festsetzung habe, deshalb sollte auch mit den bereits vorhandenen Unterschriftenlisten und eventuell weiteren auf die Behörde eingewirkt werden.

Die Gemeinde könne in der öffentlichen Anhörung erneut als Rechtsträger einwenden, zudem sollten möglichst viele Bürger Einwendungen erheben. Denkbar sei eine Information im Gemeindeblatt sowie die Vorbereitung eines Formulars durch die Verwaltung. Anzuführen seien die Aspekte Landwirtschaft, Verkehr, Lärm, Umweltverträglichkeit, Artenschutz sowie städtebauliche Belange.

Aus dem Entwurf zur Stellungnahme der Gemeinde geht überdies hervor, dass "kein öffentliches Interesse an der Zulassung einer weiteren Nassauskiesung an der von Holcim beantragten Stelle erkennbar sei, da die Firma lediglich ihre eigenen Rohstoffsicherung verfolge." Stellt sich die Frage nach dem Kiesbedarf in der Region, wie Dorothea Hauß (Frauenliste) sich erkundigte. Dies nicht zuletzt mit Blick auf die Ausbeute, die beim Bau des dritten und vierten Gleises sowie einer eventuellen Rheinretention anfalle. Hauß machte auch darauf aufmerksam, dass sich ein Lieferverkehr in nördlicher Richtung nicht alleine in Bremgarten bemerkbar mache, die Transporter vielmehr auch durch Hartheim hindurchfahren würden.

Bestärkt wurden die Räte auch zusätzlich durch Norbert Schröder-Klings, der die Gemeinde Hartheim in Bezug auf Änderung des Regionalplans berät, und den Räten empfahl, Korrekturen der geplanten Kiesabbauflächen zu fordern. Zum Einen handelt es sich dabei um eine Fläche nordwestlich des Gewerbeparks Breisgau, wo eine Abbaufläche ausgewiesen werden soll, die zu rund einem Drittel auf Gemarkung Bremgarten und zu zwei Dritteln auf Eschbacher Territorium liegt, wobei Eschbach dem Vernehmen nach mit den Abbauflächen einverstanden sei. Eine weitere Fläche, die Hartheimer Gemarkung tangiert, ist im Norden Richtung Breisach geplant. Auch mit Blick auf diese Flächenausweisung regte Schröder-Klings für die Stellungnahme des Gremiums an, hier keine neuen Kiesabbaustätten zuzulassen.

Umweltverband denkt an nächste Klage gegen S 21

Stuttgarter Nachrichten, 10.09.2013

Stuttgart - Die Bahn will im Schlossgarten zum Bau ihres neuen Tiefbahnhofs 6,8 statt bisher genehmigter drei Millionen Kubikmeter Grundwasser abpumpen. Am Montag hat im Kongresszentrum der Landesmesse in vergleichsweise entspannter Atmosphäre die erneute Erörterung dieser beantragten Planänderung begonnen. Der erste, vom Regierungspräsidium (RP) moderierte Versuch der Verständigung zwischen Bahn, vom Bau betroffenen Bürgern und S-21-Gegnern war vor acht Wochen am Verhandlungsleiter gescheitert. Gegen ihn wurde der Vorwurf der Befangenheit laut. Die Erörterung war daher nach zwei Tagen abgebrochen worden.

Der zweite Anlauf startete am Montag mit einer ganz neuen Erkenntnis: Die Bahn hat nicht nur die 6,8 Millionen Kubikmeter beantragt, sondern will bei unerwartet hohen Wasserständen ohne Begrenzung abpumpen dürfen. Das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) als Genehmigungsbehörde nennt das laut Unterlagen „Petrus-Faktor“.

Der Anwalt des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), Tobias Lieber, zitierte am Montag aus Gesprächsprotokollen zwischen Eba und dem städtischen Umweltamt. Die Stadt spreche darin von einem „bundesweit noch nie beantragten Wasserrecht“. Sich je nach Wetterlage und Wasserandrang dynamisch entwickelnde Grenzwerte seien „einmalig“. Der im Umweltamt für den Grundwasserschutz zuständige Sachgebietsleiter Gerd Wolff habe das Eba gewarnt, „sehenden Auges Anträge zu genehmigen, welche den Mindestanforderungen nicht genügen“.

BUND: Alte Umweltverträglichkeitsprüfung nicht mehr akzeptabel

Josef-Walter Kirchberg, Anwalt im Auftrag der Bahn, bestätigte den Sachverhalt. Man habe die Erwartung, „mehr entnehmen zu können, wenn es ein Grundwasser-Hochwasser“ gibt. Hintergrund: Mit Wasser volllaufende Baugruben könnten enorme Schäden und Zeitverzug auslösen.

Hauptkritikpunkt des BUND und weiterer S-21-Gegner war am Montag aber nicht der „Petrus-Faktor“, sondern die aus Sicht des BUND fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Bahn hat eine solche vor mehr als zehn Jahren geleistet und beharrt darauf, dass sie heute noch gilt. Man bewege sich mit den 6,8 Millionen Kubikmetern noch in dem vom Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung beschriebenen Rahmen, der von 100?000 bis zehn Millionen Kubikmeter reiche, argumentierte Kirchberg.

Die Gegner sehen das anders. Weil neuere Untersuchungen ergeben haben, dass der Boden im Schlossgarten eine um den Faktor 30 bis 50 größere Wasserdurchlässigkeit zeige als bisher berechnet, sei die alte Untersuchung nicht mehr akzeptabel. Sollte keine neue erfolgen, das Eba die Mehrmenge aber dennoch genehmigen, werde das zu einer erneuten gerichtlichen Auseinandersetzung führen, deutete Anwalt Lieber an.

Scharfe Kritik am Eisenbahn-Bundesamt

Auch der Verhandlungsleiter Michael Trippen, Referatsleiter im Regierungspräsidium, will von der Bahn erfahren, „woher sie annimmt, dass diese neue Menge jetzt der Weisheit letzter Schluss ist“. Trippen zeigte sich den Fragen aus dem Publikum aufgeschlossen. Er werde die Sache S?21 nicht durchwinken. Er sei als Landesbeamter seinem Eid verpflichtet, nicht einer Projektförderpflicht des Landes. „Ich exekutiere keine politisch pigmentierten Vorgaben“, sagte Trippen. Er leitet die Erörterung, die bis mindestens Donnerstag jeweils von 9 bis 19 Uhr angesetzt ist, zusammen mit Gertrud Bühler. Die Juristin ist im RP Leiterin der Abteilung Wirtschaft und Infrastruktur.

Scharfe Kritik aus dem Publikum handelten sich das Eisenbahn-Bundesamt und dessen für Stuttgart zuständige Juristin Barbara von Eiken ein. Das Eba habe, sagte sie, entschieden, dass eine Vorprüfung zur Umweltverträglichkeit (UVP) nicht nötig sei. Diese Entscheidung und der Entscheidungsweg wurden aber nie bekanntgegeben. Die Behörde müsse ihre Entscheidung bekanntmachen, sagte Anwalt Lieber. Der Begriff UVP-Prüfung tauche in keinem Dokument oder Gesprächsprotokoll des Eba auf. „Es gab keine“, behauptet Lieber. Von Eiken räumte ein, dass es zu der Entscheidung über die Vorprüfung „keine Akte und kein Dokument“ gebe.

Laut Michael Trippen reiche es aus, wenn das Eba seine Dokumentation über die Umweltverträglichkeits-Entscheidung beim Beschluss über den geänderten Bauantrag nachliefert. Viele Bürger können das nicht nachvollziehen. Trippen zeigte Verständnis: „Die Entscheidung muss dokumentiert sein, weil der Bürger den Entscheidungsvorgang überprüfen können muss“. Juristisch strittig sei, „ab welchem Zeitpunkt“.

Streit über Umweltprüfung zum Auftakt

Stuttgarter Zeitung, 09.09.2013

Rund 300 Kritiker von Stuttgart 21 verfolgen die Erörterung zum Grundwassermanagement im Kongresszentrum der Messe am Flughafen.

Stuttgart - Formalien und weniger Inhalte sind am ersten Tag des Erörterungsverfahrens zum Grundwassermanagement von Stuttgart 21im Mittelpunkt gestanden. Ein erster Anlauf war Mitte Juli wegen der Befangenheit des Versammlungsleiters abgebrochen worden.

Die Auswirkungen auf die Bodenbeschaffenheit, die möglichen Gefahren für das Mineralwasser oder die Grundstücke rund um den Mittleren Schlossgarten, die mit dem Abpumpen und Umwälzen von knapp 6,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser verbunden sein könnten, waren am Montag im Kongresszentrum der Landesmesse noch kein Thema. Erst von Dienstag an wird wohl darüber diskutiert werden.

Ungeachtet der wiederholten Appelle des Versammlungsleiters Michael Trippen vom Regierungspräsidium Stuttgart, „bitte so schnell wie möglich in die Sachdiskussion und die Risikoanalyse einzusteigen“, mussten der Leiter des zuständigen Planfeststellungsreferates und die Abteilungspräsidentin Gertrud Bühler eine Vielzahl von Anträgen und Einwendungen der rund 300 interessierten Bürger und Vertreter der Institutionen beantworten. Unter anderem wurde auch diesmal der Antrag gestellt, die Versammlungsleiter wegen Befangenheit abzulehnen, weil sie als Landesbedienstete automatisch der Projektför-derpflicht des Landes bei Stuttgart 21 unterliegen würden und damit nicht neutral und objektiv agieren könnten.

Knapp 10 000 Einwendungen sollen behandelt werden

Beantragt wurde unter anderem, mehr Protokollanten einzustellen, Film- und Rundfunkaufnahmen zuzulassen und die Vorträge und Unterlagen der Bahn sofort im Internet zu veröffentlichen. Kritik gab es am Versammlungsort, den Antragsteller in die Innenstadt verlegen wollten. Auch die Forderung nach kostenlosen VVS-Tickets wurde erhoben, weil durch die Fahrt zum Flughafen zusätzliche Kosten entstehen würden – die meisten der Anträge wurden zurückgewiesen.

Der Verlauf und vorzeitige Abbruch wegen Befangenheit des damaligen Verhandlungsführers wurden am Montag von der Leitung nochmals thematisiert. Doch anders als bei dem Termin im Apollo-Theater des SI-Zentrums wird die Neuauflage aktiv von Vertretern des Eisenbahnbundesamtes (Eba), des Landesamtes für Geologie und des städtischen Umweltamtes begleitet. Die Erörterung im Juli sei leider nicht so verlaufen, wie es sich das Regierungspräsidium vorgestellt habe, betonte Gertrud Bühler: „Da gibt es nichts zu beschönigen.“ Es sei alles Erdenkliche unternommen worden, um es diesmal besser zu machen.

Knapp 10 000 Einwendungen gilt es während der auf zunächst vier Tage angesetzten Erörterung im Kongresszentrum aus fachlicher Sicht zu diskutieren, vielfach geht es dabei um mögliche Risiken für das Mineralwasser, die Bodenbeschaffenheit und mögliche Schäden an Gebäuden, die durch Senkungen oder das Rutschen von Hängen entstehen könnten.

BUND kritisiert formale Fehler im Planänderungsverfahren

So kritisierte etwa der Naturschutzverband BUND, unter anderem durch Regionalgeschäftsführer Gerhard Pfeifer vertreten, formale Fehler im Planänderungsverfahren der Bahn. Vor allem fehle eine vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung für die mehr als verdoppelte Grundwassermenge, die mit der Planänderung beantragt wurde, bemängelte Pfeifer.

Ohne diese Prüfung sei der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und gerichtlich anfechtbar, führte der Jurist Tobias Lieber aus, der den BUND vertritt und in dessen Auftrag ein Gutachten erstellt hat. Bei dem Vorhaben würden Biotope, Naturdenkmale und Heilschutzgebiete berührt, und auch das Kriterium einer hohen Bevölkerungsdichte im Umfeld sei bei S?21 erfüllt. „Die Sachlage ist eindeutig“ sagte Lieber, der sich durch die Stellungnahmen der Fachbehörden bestärkt sieht. Die Bahn schätzt das nach wie vor anders ein. Man bleibe mit der erhöhten Entnahmemenge in der gleichen Bewertungskategorie, sagte der Rechtsanwalt Josef-Walter Kirchberg. Daher habe man beim Eba beantragt, keine Prüfung durchzuführen, wie Barbara von Eicken von der Bonner Aufsichtsbehörde auf Nachfrage bestätigte. „Wir haben den Sachverhalt inzident geprüft und entschieden, dass keine solche Prüfung notwendig ist“, sagte sie.

Von einigen S-21-Gegnern wird bezweifelt, dass es beim Eba eine aktive Untersuchung des Sachverhalts gegeben habe. Auf die Nachfrage, wer an der Vorprüfung beteiligt gewesen und ob der Entscheidungsprozess nachvollziehbar dokumentiert sei, wollte Barbara von Eicken nicht näher eingehen. Die Einschätzung der Behörde könne dann im Planfeststellungsbeschluss nachgelesen werden. BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender sagte, das Eba dürfe sich nicht zum Erfüllungsgehilfen der Bahn machen.

FWTM vermisst Münstermarkt-Stände mit Laser – Händler verärgert

Badische Zeitung, 16.07.2013

Mit modernem Lasergerät vermisst die FWTM die Stände auf dem Freiburger Münsterplatz, um so die Miete zu ermitteln. Viele Händler müssen nun mehr zahlen – das sorgt für reichlich Ärger.

Wenn die Marktmeister auf dem Münsterplatz ihre Runden drehen, kommt neuerdings ein kleines schwarzes Kästchen zum Einsatz, das für großen Ärger sorgt: Mit einem Lasermessgerät werden an jedem Markttag die Stände exakt vermessen, um so die Standmiete zu ermitteln. Viele Marktbeschicker müssen mehr bezahlen als zuvor. Umstritten ist auch, was alles zur Verkaufsfläche zählt. Die FWTM signalisiert in einigen der umstrittenen Punkte ein Entgegenkommen.

Marktmeister Walter Drayer setzt am einen Ende des Demeter-Gemüsestandes sein Lasergerät an. Auf der anderen Seite hält sein Kollege Michael Danner sein Schreibbrett in die Höhe. Darauf leuchtet der rote Laserpunkt auf. Das Display des Gerätes zeigt die Zahl: 6,078 Meter. "Die Abweichung liegt bei maximal 2 Millimetern", sagt Drayer und notiert den Wert in seine Liste. Nur ein paar Sekunden dauert der Messvorgang, der für gereizte Stimmung auf dem Münstermarkt sorgt. Viele Händler haben ihre Standgebühren erst einmal nur unter Vorbehalt entrichtet.

Dallmann: "Jeder zahlt für die Fläche, die er benutzt"

Gemessen wird die Länge des Standes, also die Frontmeter und die Tiefe, inklusive der Lagerflächen. Das ist neu. Denn seit knapp 20 Jahren galt die Maßgabe Frontmeter mal pauschal zwei Meter Tiefe. Daran entzündet sich ein großer Teil des Ärgers. Ein Gemüsehändler von der Nordseite berichtet, seine Standgebühr habe sich verdoppelt. Ein Händler auf der Südseite muss 27 Prozent mehr zahlen. Sein Stand wird aus einem Hänger ausgeklappt. Er hat die Größe des Hängers an den alten Messvorgaben ausgerichtet. Die Breite des Wagens kostet ihn nun richtig Geld. "Ich kann jetzt nicht ein Stück aus meinem Wagen herausschneiden, damit der Stand kleiner wird", sagt er. Der Händler glaubt: "Das ist eine versteckte Standpreiserhöhung – und die lässt sich einfacher durchsetzen, weil jeder anders betroffen ist", so der Mann, der nicht mit Namen in der Zeitung stehen will.

Bernd Dallmann, Chef der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe (FWTM), widerspricht: "Wir wollen nicht mehr Geld einnehmen als vorher", erklärt er. Das genaue tägliche Nachmessen sei aber nötig, weil der Platz auf dem Markt knapp geworden sei: Es gibt Vorschriften für breitere Rettungswege, die Kirche hat um mehr Abstand zum Münster gebeten. Und es war aufgefallen, dass rein von den angemeldeten Quadratmetern alle Stände leicht auf den Münsterplatz passen müssten. Über die Jahre ist allenfalls in Stichproben nachgemessen worden. Grundlage der Standmiete war im Prinzip die Selbstveranlagung. Das eingesetzte Lasermessgerät habe nun ergeben, dass bei vielen Beschickern die Maße gestimmt haben, bei manchen aber der Stand über die Jahre länger und breiter geworden war, so FWTM-Geschäftsführer Dallmann. Er hält das Vorgehen, das von der Satzung gedeckt sei, für gerecht: "Jeder zahlt die Fläche, die er auch nutzt."

Sondertarif für Gärtnereien?Weil es aber etwa bei den Blumenanbietern sehr große Differenzen zwischen alter und neuer Gebühr gibt, soll die gemeinderätliche Marktkommission nun für die Gärtnereien einen Sondertarif beschließen: "Auch weil die Blumenhändler das Marktbild besonders prägen", so Dallmann. Auch Marktbeschicker, die ganzjährig bei Wind und Wetter den Stand aufbauen, sollen durch bessere Konditionen belohnt werden.Unter den Markthändlern gibt es auch Stimmen, welche die Standvergrößerungen kritisieren. Gerade an Samstagen reiche der Platz in der Reihe am Münster kaum aus. Für den Letzten wird es oft eng. "Es ist wie die Reise nach Jerusalem", so ein Händler. Ringold Wagner, Sprecher der Bauernseite, berichtet von guten Gesprächen mit der FWTM und hofft auf einen Kompromiss. "Beide Seiten sind bemüht, die Kuh vom Eis zu bringen", sagt er. Sein Kollege Walter Schwaab zweifelt, dass das Vorgehen der FWTM rechtmäßig ist. Vor allem, weil neben der Verkaufs- und Lagerfläche auch die Fläche mitgerechnet wird, auf der das Verkaufspersonal steht und geht. Auch dass die neue Regelung ohne Absprache und Information eingeführt wurde, kritisiert Schwaabs Anwalt Tobias Lieber. Er setzt auf weitere Gespräche.

INTERVIEW: Rechtsanwältin Alexandra Fridrich

Schwetzinger Zeitung, 15.02.2013

INTERVIEW: Rechtsanwältin Alexandra Fridrich, Vertreterin der Stadt im Rechtsstreit mit der Bahn AG, über Gründe für die jahrzehntelange Wartezeit, das Planfeststellungsverfahren und Erfolgsperspektiven

Massive Proteste können konkrete Erfolge erzielen

Bislang war nur der Bahnlärm unüberhörbar, seit vergangenem Dezember jedoch schwillt auch der Pegel des Protests immer mehr an. Nachdem die DB Netz AG ein Planfeststellungsverfahren in Gang gebracht hat, das ihr im Erfolgsfall einen deutlich geringeren Lärmschutz-Aufwand auferlegen würde, ist die Stadt Hockenheim in die Offensive gegangen und ruft zu Protesten auf. Wir sprachen mit der Freiburger Rechtsanwältin Alexandra Fridrich, die die Interessen der Stadt gegenüber der Bahn seit 2006 vertritt.

Viele Hockenheimer fragen sich: Die Bahn hat sich vertraglich zu Lärmschutz verpflichtet - warum kann sie nicht gerichtlich zu dessen Umsetzung gebracht werden?

Alexandra Fridrich: Die damalige Deutsche Bundesbahn hat sich in der mit der Stadt Hockenheim getroffenen Vereinbarung verpflichtet, bestimmte Pegel einzuhalten. Mit welchen Maßnahmen sie die Garantieverpflichtung einhält, ist aber nicht vertraglich festgelegt. Dies wäre auch schwierig gewesen, da die Maßnahmen davon abhängen, wie hoch die Überschreitungen der garantierten Werte und die technischen Möglichkeiten sind. Vor diesem Hintergrund hatte die im April 2004 erhobene Klage der Stadt Hockenheim das Ziel, die Bahn zu verurteilen, die Einhaltung der übernommenen Garantiepflichten durch "geeignete Maßnahmen" sicherzustellen.

Was bedeutet das aber konkret?

Fridrich: Konkrete Maßnahmen kann ein Gericht nicht selbst festlegen, da es sich dann an die Stelle der Bahn und der zuständigen Behörden setzen würde. Im gerichtlichen Verfahren konnte in der mündlichen Verhandlung zumindest eine Verfahrensregelung getroffen werden, die später dazu führte, dass die Bahn eine Überschreitung der zulässigen Werte eingeräumt hat. Darüber, welche Maßnahmen "geeignet" sind, herrscht nach wie vor Streit. Ob eine bestimmte Maßnahme die vertraglichen Ansprüche der Stadt erfüllt, könnte ein Gericht prüfen und entscheiden. Eine solche konkrete Maßnahme versucht die DB Netz AG nun mit dem am Montag startenden Verfahren planfeststellen zu lassen.

Gibt es keine Fristen, innerhalb derer ein Vertragspartner erfüllen muss, was er unterschrieben hat, oder hat die Bahn einen Sonderstatus?

Fridrich: Die vertragliche Vereinbarung zwischen der Bahn und der Stadt sieht vor, dass die Schallschutzgarantie ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Neubaustrecke Mannheim - Stuttgart gilt. In einer weiteren Vereinbarung aus dem Jahre 1982 bekräftigte die damalige Deutsche Bundesbahn erneut die Schallschutzgarantie. Die Überprüfung der Einhaltung der garantierten Werte oblag der Bahn. Sollten die zugesagten Werte nicht eingehalten werden, hat sich die Deutsche Bundesbahn verpflichtet, die notwendigen Nachrüstmaßnahmen "unverzüglich" zu treffen. Das ist zwar keine nach einem bestimmten Datum bestimmbare Frist. Trotzdem wäre die Bahn im juristischen Fachjargon gesprochen ohne schuldhaftes Zögern verpflichtet gewesen, die notwendigen Nachrüstmaßnahmen zu treffen.

Aber die Grenzwerte werden doch nicht eingehalten, oder?

Fridrich: Über diese Frage herrschte bis Mitte 2007 Streit. Erst im Juli 2007 räumte die Bahn ein, etwas tun zu müssen. Dass es erst jetzt zu Maßnahmen kommt, liegt zum einen daran, dass die Bahn die zugesagten Unterlagen und Gutachten nur auf mehrmaliges Nachfassen der Stadt zur Verfügung gestellt hat. Zum anderen brauchten die Gespräche zwischen Stadt und Bahn Zeit. Mit Einreichung der Variante 7 zur Planfeststellung sind die Bemühungen der Stadt, sich auf eine gemeinsame Variante festzulegen, gescheitert.

Wie lange könnte das Planfeststellungsverfahren dauern? Denn um diese Dauer verzögert sich wohl auch die Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen?

Fridrich: Von einer Verzögerung der Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen durch das Planfeststellungsverfahren würde ich nicht sprechen. Die Durchführung des Verfahrens und die Planfeststellung von Maßnahmen ist notwendige Grundlage für deren Umsetzung. Im Allgemeinen Eisenbahngesetz ist vorgesehen, dass nach Ablauf der Einwendungsfrist für den Fall, dass ein Erörterungstermin stattfindet, die Anhörung innerhalb von drei Monaten abzuschließen ist. Nicht geregelt ist, innerhalb welcher Frist das Eisenbahn-Bundesamt einen Planfeststellungsbeschluss erlassen muss.

Das hängt wohl auch von Zahl und Qualität der Einwendungen ab?

Fridrich: Gehen wenige Einwendungen ein, ist damit zu rechnen, dass der Planfeststellungsbeschluss relativ schnell erlassen wird. Sind die Einwendungen zahlreich und inhaltlich qualifiziert, dauert das Verfahren sicher länger. Gegebenenfalls kommt es auch noch zu Planänderungen. Erfahrungsgemäß dauern Planfeststellungsverfahren länger, als im Gesetz vorgesehen. Eine Prognose ist schwierig. Optimalerweise wäre im Falle der Durchführung eines Erörterungstermins der Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses noch vor den Sommerferien denkbar.

Wie beurteilen Sie die Chancen Hockenheims, die "Lärmschutz-light"-Variante verhindern zu können?

Fridrich: Wir haben gute Argumente darzulegen, dass der angebotene "Lärmschutz light" nicht dem entspricht, was die Bahn der Stadt garantiert hat. Legt man die heutigen Maßstäbe zugrunde, besteht zunächst ein Anspruch auf Einhaltung der Grenzwerte der 16. Bundesimmissionsschutz-Verordnung durch aktive Schallschutzmaßnahmen. Dies gilt nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen.

Gibt es dafür objektive Maßstäbe?

Fridrich: Aus Sicht der Stadt Hockenheim werden bei der begehrten Variante 12 mehr sogenannte Schutzfälle, das heißt Fälle, in denen Grenzwertüberschreitungen zu verzeichnen sind, gelöst. Die Lärmminderung von 4,5 Dezibel liegt weit über dem, was die nun zur Planfeststellung beantragte Variante 7 leisten kann. Aus der Vereinbarung und dem Planfeststellungsbeschluss von 1981 leiten wir einen besonderen Vertrauenstatbestand ab. Die Bahn hat damals die Einhaltung bestimmter Werte garantiert. Außerdem haben wir erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des besonders überwachten Gleises, dessen dauerhafte Lärmminderung zwischen den Schleifzyklen nicht gewährleistet ist. Bei den Berechnungen der Bahn wurde im Übrigen der sogenannte Schienenbonus von 5 Dezibel berücksichtigt. Dieser geht von einer geringeren Störwirkung des Schienenverkehrslärms aus. Wir halten den Schienenbonus aufgrund neuester Untersuchungen für falsch. Beim Verkehr auf der Rheintalbahn durch Hockenheim kann durch den hohen Anteil an Güterverkehren nicht von einer geringeren Störwirkung gegenüber der Straße ausgegangen werden.

Lässt sich in Zahlen ausdrücken, wie groß der Protest ausfallen muss, damit er Erfolg hat?

Fridrich: In Zahlen lässt sich das nicht ausdrücken. In den rechtlichen Verfahren ist wichtig, dass derjenige, der seine Klagechancen offen halten will, innerhalb der Frist qualifizierte Einwendungen erhebt. In politischer Hinsicht hat die Zahl derjenigen, die ihren Protest zum Ausdruck bringen, natürlich eine erhebliche Bedeutung, wie Stuttgart 21 eindrücklich gezeigt hat. Auch der Ausbau der Rheintalbahn zwischen Offenburg und dem Markgräflerland hat gezeigt, dass massive Proteste konkrete Erfolge nach sich ziehen können. Je mehr Menschen protestieren, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, auf politischer Ebene etwas zu bewegen.

Könnten die Bürger im Rechtsstreit mit der Bahn unabhängig vom Planfeststellungsverfahren etwas bewirken, durch private Klagen?

Fridrich: Die Vereinbarung zwischen der Stadt Hockenheim und der Deutschen Bundesbahn ist Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahre 1981 geworden. Prinzipiell könnten sich private Betroffene auf diese "Schutzauflage" mit dem Argument berufen. Wichtig wäre allerdings, diesen Anspruch zunächst gegenüber der Behörde geltend zu machen, bevor Klage erhoben wird. Sonst setzt man sich möglicherweise dem Vorwurf aus, man hätte sich zunächst an die zuständige Behörde wenden können. Wer also eine Klage erwägt, müsste diese entsprechend vorbereiten.

Aus heutiger Sicht: Hätte die Stadt rigoroser mit der Bahn umgehen müssen, also schneller wieder vor Gericht ziehen?

Fridrich: Ich denke, dass grundsätzlich der eingeschlagene Weg, zunächst mit Verhandlungen die aus Sicht der Stadt Hockenheim akzeptable Variante 12 zur Umsetzung bringen zu wollen, richtig war. Bei einer Verurteilung der Bahn hätte diese zum einen erst mal die geeigneten Schutzmaßnahmen erarbeiten müssen. Zu erwarten gewesen wäre auch, dass die Bahn dann in die nächsten Instanzen gegangen wäre. Auch dies hätte Zeit gekostet.

Bürger sollen Bahn die Rote Karte zeigen

Hockenheimer Tageszeitung, 20.12.2012

Lärmschutz: Gemeinderat, Verwaltung und rund 70 Bürger sagen DB Netz AG den Kampf gegen Aufweichung der 1976 eingegangenen Verpflichtungen an / Experten gehört

Das Zusammenrücken von Gemeinderat und Bürgern war unübersehbar: Bis dicht an den Ratstisch reichten die Reihen der Zuhörer gestern Abend im Bürgersaal, als das Gremium einstimmig der "unzureichenden" Neuplanung der DB Netz AG zum Lärmschutz an der Bahnstrecke eine Absage erteilte. Unter Beifall kritisierten alle fünf Fraktionen sowie Bürgermeister Werner Zimmermann die mangelnde Vertragstreue des Unternehmens und riefen die Hockenheimer auf, massenhaft Einwendungen gegen die Pläne zu erheben. Schützenhilfe erhielten sie von Experten in Sachen Widerstand.

"Da gibt's nur eine Möglichkeit: sich massiv dagegen wehren!", riet mit Dr. Roland Diehl ein Experte im Kampf gegen Bahnlärm. Der Sprecher der Bürgerinitiative "Mensch und Umwelt schonende DB-Trasse Nördliches Markgräflerland" (MUT) kannte "auf Zeit spielen, hinhalten, täuschen, tarnen, tricksen" aus eigener Erfahrung in Südbaden. Seit fast zehn Jahren bestehe MUT und habe knapp 7000 Mitglieder. Die Güterzüge, die im Markgräfler Land Lärm erzeugten, seien dieselben wie die in Hockenheim auf Europas Gütertrasse Nummer eins zwischen Rotterdam und Genua - mit steigender Tendenz.

"Nötiges Zornniveau" schaffen

Um Druck auf die Bahn zu erzeugen, müsse die Bevölkerung aufgeklärt werden über die "Lügengebäude, die ihr da aufgetischt werden", sagte Diehl. "Sie müssen verstehen, wie sie hier veräppelt werden, dann entsteht das nötige Zornniveau, das man braucht, um eine erfolgreiche Bürgerinitiative zu führen", meinte der Sprecher und riet dazu, Bundes- und Landtagsabgeordnete zu mobilisieren.

Für den an einem grippalen Infekt erkrankten Oberbürgermeister Dieter Gummer ließ es auch Bürgermeister Werner Zimmermann nicht an Deutlichkeit fehlen: "Was uns die Bahn anbietet, ist salopp gesagt eine Frechheit." Nach über 35 Jahren sei man über ein Vereinbarungsstadium nicht hinausgegangen - "die Bahn hat uns immer wieder hinausgeschmiert", sagte Zimmermann.

"Über Bahn "mehr als frustriert"

Über die Vorgehensweise mit dem neuen Planfeststellungsverfahren der DB Netz AG seien Gemeinderat und OB sowie er "mehr als frustriert: Die Bahn ist Verursacher und wir sollen letztendlich die Zeche zahlen? Dies kann und darf nicht sein", bekräftigte Zimmermann.

An die Bürgerinitiative von 1976, der nun wohl eine neue Bürgerinitiative folgen soll, erinnerte der damalige Sprecher Horst Waldmann.

Wichtig: sich nicht abspeisen lassen

Alexandra Fridrich, Fachanwältin für Verwaltungsrecht und seit 2006 für die Stadt Hockenheim im Rechtsstreit mit der Bahn tätig, beleuchtete das Planfeststellungsverfahren juristisch und machte deutlich: "Es ist wichtig zu zeigen, dass Sie sich als Hockenheimer nicht abspeisen lassen", erläuterte Fridrich. "Sichern Sie die Rechtsposition, machen Sie von Ihren Rechten Gebrauch und fordern Sie angemessenen Schallschutz", riet sie.

Die Stadt werde den Bürgern Handreichungen mit einzelnen Bausteinen anbieten, wie sie Einwendungen erheben können. Wichtig sei dabei, die individuelle Betroffenheit durch die Planung darzustellen.

"Wir haben einen gültigen Vertrag mit der Deutschen Bahn und den hat sie gefälligst einzuhalten", stellte Markus Fuchs im Namen der CDU fest. So wie die Deutsche Bahn in Stuttgart auf die Einhaltung von geschlossenen Verträgen pocht, so pochen wir in Hockenheim darauf, dass die Bahn ihren mit uns geschlossenen Vertrag einhält."

"Bahn zu Vertragstreue zwingen"

Auf diesen Aspekt hob auch Gabi Horn von den Freien Wählern ab. Die Bahn halte die Kosten für den versprochenen Lärmschutz in Hockenheim für zu hoch, in Stuttgart akzeptiere sie dagegen Milliardensteigerungen. Die FWV sei dafür, dass die Bahn zur Vertragstreue gezwungen werde.

"Skandalöser Lärmschutzbetrug"

Von "einmaligem skandalösem Lärmschutzbetrug" sprach SPD-Fraktionsvorsitzender Willi Keller. Da sei es nicht verwunderlich, "dass man den Wutbürger erzeugt."

Adolf Härdle (Grüne) sieht die Stadt und ihre Bürger geradezu verpflichtet, Widerstand gegen die Bahnpläne zu leisten wie 1976, als es um den Trassenverlauf ging - im Schulterschluss mit Bund, Land und der Region. Michael Gelb (FDP) forderte alle auf, den nötigen Druck aufzubauen und der Politik den Handlungsbedarf klarzumachen.

Nachts acht Stunden ohne Fluglärm

Stuttgarter Nachrichten, 12.07.2012

Schutzgemeinschaft Filder bringt in den Lärmaktionsplan 15 Forderungen ein


Leinfeld- Echterdingen. Die Schutzgemeinschaft Filder (SG) bringt 15 Forderungen und Vorschläge in den Lärmaktionsplan ein, der noch bis 27. Juli beim Regierungspräsidium und mehreren Rathäusern und Landratsämtern ausliegt. Alle Bürger sind aufgerufen, Ideen einzubringen.

Die SG hat sich für ihre Stellungnahme Unterstützung von Alexandra Fridrich geholt, Fachanwältin für Verwaltungsrecht mit Spezialgebiet Luftverkehr. Sie verweist auf den Lärmminderungsplan des Landes, der als Maßnahme empfiehlt, bis zum Jahr 2010 plus x den Fluglärm zu halbieren- was 26 Prozent weniger Flugbewegungen bedeutet. Weil dieses Ziel aber selbst der SG unrealistisch erscheint, setzt sie jetzt auf andere Maßnahmen. Als vorrangig sieht der Vorsitzende Steffen Siegel eine ununterbrochene Nachtruhe von acht Stunden zwischen 22 und 6 Uhr. Eine kürzere Ruhephase führe nachweislich zu Gesundheitsschäden. Deshalb will die SG die beiden Nachtpostflüge streichen (Siegel: „Früher ging es auch ohne“) sowie die bisher erlaubten Propellermaschinen und Kleinflugzeuge. Wer weiterhin Nachtflüge plane - in Ausnahmefällen ist dies bisher erlaubt- soll künftig nachweisen, dass diese Flüge tagsüber nicht möglich sind. Die SG will außerdem die besonders belastete erste Stunde um 6 Uhr entschärfen und fordert einen sukzessiven Start des Betriebs. Zur Zeit starten in der ersten Stunde von 5.50 Uhr bis 7 Uhr 27 Maschinen- im Schnitt also alle zweieinhalb Minuten eine. Die SG schlägt vor, von den Fluggesellschaften Zuschläge von bis zu 500 Prozent für Starts und Landungen nachts und bis zu 250 Prozent in den Randstunden zu verlangen. Die Bürgerinitiative fordert außerdem Verbesserungen am Boden, etwa, die Flugzeuge vor dem Start über Kabel mit Strom zu versorgen, statt durch eigene laute Turbinen.

Nicht aufgenommen hat die SG in ihren Forderungskatalog Wünsche einiger Initiativen von den Fildern und aus Stuttgarter Stadtteilen. So verlangen etwa Lebenswertes LE sowie Bürgergruppen Vaihingen/Rohr/Dürrlewang, den 2008 verbindlich festgelegten Überflugpunkt bei Steinenbronn wieder aufzugeben. Auch die damals von 250 auf 210 Knoten gesenkte Höchstgeschwindigkeit solle wieder gelockert werden, fordert Sprecherin Claudia Moosmann. Ihr ist allerdings bewusst, dass bei diesen Punkten noch Diskussionsbedarf besteht. Alexandra Fridrich bestätigt: Man müsse abwägen, ob die dicht am Flughafen wohnenden Bürger noch mehr belastet werden sollten, um weiter entfernt wohnende zu entlasten oder umgekehrt…

Bürgerinitiative: Mehr Schutz vor Fluglärm

Stuttgarter Zeitung, 12.07.2012Aktionsplan- Die Schutzgemeinschaft will sich nicht mit „kosmetischen Maßnahmen“ zufriedengebenDie Schutzgemeinschaft (SG) Filder begrüßt grundsätzlich den Entwurf eines Lärmaktionsplans für den Stuttgarter Flughafen, fordert aber Nachbesserungen. Der Aktionsplan liegt derzeit beim Regierungspräsidium (RP) Stuttgart. Noch bis zum 27. Juli können Bürger, Gemeinderäte und Verbände Verbesserungsvor-schläge machen.

Nach Angaben der Verwaltungsrechtlerin und Spezialistin für Luftverkehrsfragen Alexandra Fridrich, die die Bürgerinitiative berät, reicht der Entwurf derzeit bei Weitem nicht aus, um eine Reduzierung des Fluglärms zu erreichen. So seien in dem Aktionsplan zwar Maßnahmen wie etwa Betriebsbeschränkungen oder eine ökonomische Steuerung des Flugverkehrs durch Erhöhung der Start- und Landeentgelte enthalten, die aber allesamt als unrealistisch beurteilt würden. Auch bei der Umrüstung der Flugzeugflotten auf leisere Antriebssysteme sei „eine gewisse Sättigung erreicht“, so die Juristin am Mittwoch vor der Presse. Diskutiert werde zwar eine je nach Windeinfall geänderte Abflugrichtung; auch diese biete nur wenig Spielraum für eine wirksame Lärmreduktion.

Als realisierbare Maßnahme würden vom RP im Wesentlichen nur sogenannte Steil- und Schnellstarts eingestuft. Der Schutzgemeinschaft Filder reicht das nicht aus: Sie fordert etwa, dass eine ununterbrochene Nachtruhe von acht Stunden einzuhalten sei. Nachtflüge in der Kernzeit zwischen null und fünf Uhr müssten einer besonderen Rechtfertigung bedürfen. Auch die Postmaschinen sowie Propellermaschinen und Kleinflugzeuge sollen unter die Nachtflugbeschränkung fallen.

Auch am Boden soll es demnach für die Airlines Beschränkungen geben: Triebwerksprobeläufe sollen nach Möglichkeit auf ein Mindestmaß beschränkt werden oder in einer Halle stattfinden. Der SG- Vorsitzende Steffen Siegel erinnerte zugleich an den Lärmminderungsplan für die Filder aus dem Jahr 2000: Darin hieß es, der Fluglärm könnte um drei Dezibel zurückgehen, wenn nach dem damaligen Flugzeugmix 26 Prozent der Flugbewegungen eingespart würden. Der Flughafen wiederum weist darauf hin, dass sich sowohl die technische Ausrüstung der Maschinen als auch deren Mix in den vergangenen zwölf Jahren erheblich verändert habe.

Schutzgemeinschaft will Nachtflüge stärker einschränken

Esslinger Zeitung, 12.07.2012Leinfelden- Echterdingen: Kritik am Lärmaktionsplan für den Flughafen- 44 200 Anwohner sind betroffenWichtige Punkte vermisst die Schutzgemeinschaft Filder im Lärmaktionsplan, den das Regierungspräsidium Stuttgart für den Flughafen vorgelegt hat. „Eine ununterbrochene Nachtruhe von acht Stunden muss eingehalten werden“, sagt der Vorsitzende Steffen Siegel. Außerdem fordert die SG, dass der Bodenlärm reduziert werden soll.Bis zum 27. Juli haben Bürger noch die Möglichkeit, Anregungen zu dem Planwerk einzureichen. Nun informierte die Schutzgemeinschaft Filder in einem Pressegespräch über zentrale Forderungen. Mit der Freiburger Rechtsanwältin Alexandra Fridrich, die als Flughafen- Expertin viele Initiativen in Konflikten mit Flughafenbetreibern vertreten hat, hat die SG den Entwurf geprüft.

„Es ist lobenswert, dass der Aktionsplan erstellt wird“, findet Steffen Siegel. Aber ihm fehlten konkrete Vorschläge, wie die Bürger effektiv entlastet werden könnten. „Die Vorschläge des Aktionsplan sind bindend“, erläuterte Fridrich. Ausgenommen seien allerdings planerische Maßnahmen, „und da sehe ich den Knackpunkt“. Gerade mit der Entwicklung des Flughafens, etwa einem Verzicht auf die Westerweiterung, lasse sich aus ihrer Sicht die Lärmbelastung effektiv eindämmen.

44 200 Anwohner des Flughafens sind tagsüber so stark vom Lärm belastet, dass der zulässige Grenzwert von 55 Dezibel überschritten wird. Nachts ist dieser Grenzwert um zehn Dezibel reduziert, sodass noch 5700 Menschen permanent mit zu lauten Flugzeugen leben müssen. Teile von Nellingen, Denkendorf und Esslingen-Berkheim aber auch Bernhausen und die Weidacher Höhe sind derzeit besonders vom Fluglärm betroffen.

Der Verzicht auf Nachtflüge ist ein zentraler Punkt im Forderungskatalog. „Frankfurt verzichtet inzwischen auch auf Nachtpostflüge, und die Briefe kommen trotzdem pünktlich“, sagt Steffen Siegel. Er schlägt eine lärmabhängige Entgeltordnung vor, die für Flüge in der Nachtkernzeit Zuschläge von bis zu 500 Prozent vorsieht. Das soll Gesellschaften motivieren, tagsüber zu fliegen. Kritisch sieht Claudia Moosmann vom Arbeitskreis Lebenswertes LE die vielen Flüge in den Tagesrandstunden. „Zwischen 6 und 7 Uhr häufen sich die Starts und Landungen“, sagt Moosmann, die in Oberaichen lebt. Zehn Prozent aller Starts würden in dieser Stunde abgewickelt, „und wir Anwohner werden davon aus dem Schlaf gerissen“. Dem will sie über den Aktionsplan einen Riegel vorschieben.

„Treibwerksprobeläufe sind sehr störend“, nennt Steffen Siegel einen weiteren Punkt. Sie müsse man „auf ein erforderliches Mindestmaß beschränken“. Auch bei den Start- und Landeverfahren will die SG Filder nachgebessert wissen, schränkt aber ein: „Eine Lärmverlagerung darf es dabei nicht geben.“

Mit weiteren Betriebsbeschränkungen für den Flughafen und mit gezielter „ökonomischer Steuerung“ will die SG nachhaltige Verbesserungen für die lärmgeplagten Anwohner erreichen. Außerdem fordern deren Sprecher, die Pläne für die Westerweitung des Flughafens zu den Akten zu legen. „Dieser Ausbau würde noch mehr Starts in den frühen Morgen- und Abendstunden nach sich ziehen“, glaubt Siegel. Schließlich fordert die SG Filder, die im Lärmaktionsplan beschlossenen Maßnahmen zeitnah umzusetzen. Bislang fehle ein Terminplan.

"133 Flüge nicht akzeptabel"

Main-Spitze, 05.04.2012

"133 Flüge nicht akzeptabel" - Stimmen aus Rüsselsheim zum Fluglärm-Urteil

Aus Sicht von Oberbürgermeister Patrick Burghardt (CDU) sollten nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Nachtflugverbot noch weitergehende Regelungen erlassen werden, um die Fluglärmbelastung in diesen nächtlichen Zeiten zu vermeiden. „Mehr als 133 Flüge in den beiden Stunden um das Flugverbot herum halten wir für nicht akzeptabel“, so Burghardt. Die Hessische Landesregierung müsse nun die rechtlichen Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts sowohl für die Mediationsnacht als auch für die Nachtrandstunden beachten.

„Das Gericht hat sehr deutlich gemacht, dass die Zulassung eines nächtlichen Flugbetriebs keinen Automatismus darstellt, sondern immer auf einer politischen Entscheidung des zuständigen Ministeriums beruht.“ Er erwarte, dass das hessische Wirtschaftsministerium seinen politischen Gestaltungsspielraum voll ausnutze, um eine weitestmögliche Nachtruhe in den beiden Nachtrandstunden zu gewährleisten.

Für seine vielfach kritisierte Haltung, dass er ein völliges Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr als nicht durchsetzbar halte, fühle er sich nun bestätigt. Null Flüge zu erreichen, sei unrealistisch, sagte der OB gegenüber der „Main-Spitze“. Persönlich hätte er angesichts der bereits deutlichen Aussagen der Richter während der Verhandlung noch mehr Aussagen zu den Randstunden erwartet. Aber eventuell gebe es in der schriftlichen Urteilsbegründung noch genauere Angaben.

Landespolitisch sieht der Christdemokrat nun eigentlich keine andere Möglichkeit mehr, als ein Nachtflugverbot. „Die Hürden für Nachtflüge sind wesentlich höher geworden“, zieht er den Vergleich zu einem vorherigen Urteil des hessischen Verwaltungsgerichts.

Auch wenn die Stadt Rüsselsheim, die eine von acht Musterklägern war, mit ihrem weitergehenden Antrag, den Planfeststellungsbeschluss für den Flughafenausbau insgesamt aufzuheben, erfolglos war, sei man dennoch zufrieden. „Wir erhoffen uns von der schriftlichen Urteilsbegründung einige hilfreiche rechtliche Klarstellungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Fragen des passiven Schallschutzes und des Umgangs mit kommunalen Belangen“, erklärten die für die Stadt Rüsselsheim tätigen Rechtsanwälte Alexandra Fridrich und Dr. Tobias Lieber. Die Stadt werde sich dafür einsetzen, dass die Rüsselsheimer, die bereits jetzt Schallschutzmaßnahmen vorfinanzieren wollen, auch Rechtssicherheit bekommen, dass sie 2016, wenn ihnen der Schutz erst zusteht, das vorgelegte Geld auch zurück erhalten, betonte Burghardt erneut.
Als „gutes Zeichen für die lärmgeplagten Bürger“ wertet SPD-Fraktionschef Jens Grode das Urteil. Man freue sich, dass die Anwohner im Umfeld von Deutschlands größtem Flughafen nachts weiterhin in Ruhe schlafen könnten. „Die schwarz-gelbe Landesregierung hat hier eine klare Niederlage erfahren und die lärmgeplagten Anwohner können einen Erfolg für Ihre Gesundheit verbuchen“, schreibt Grode in der Mitteilung weiter. Der Ball liege jetzt wieder im Feld der hessischen Landesregierung. Spannend sei insbesondere die Frage der Flüge in den Randstunden. Die SPD-Forderung nach einem Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr sei daher richtig gewesen, so Parteivorsitzender Nils Kraft.

Viel Lärm, dann nichts

Spiegel online, 03.04.2012

Lufthansa-Maschine im Anflug auf Frankfurt: Verbot auch für die "Champions League"?

Darf am Frankfurter Flughafen auch nachts geflogen werden? Das Bundesverwaltungsgericht dürfte diese Frage am Mittwoch verneinen. Davon könnten nicht nur Frachtflüge betroffen sein - sondern auch Passagiere am frühen Morgen und späten Abend.

Hamburg/Frankfurt - Schwerwiegende Folgen befürchten beide Seiten, wenn das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch in Leipzig sein Urteil spricht. Da ist zum einen die deutsche Luftverkehrswirtschaft, die vor Verlusten in Millionenhöhe und Arbeitsplatzabbau warnt.

Auf der anderen Seite stehen all jene Bürger im Frankfurter Umland, die seit Jahren gegen Fluglärm protestieren. Auch sie können sich auf Zahlen berufen: So warnte der Chef des Umweltbundesamts kürzlich im SPIEGEL, durch Lärmerkrankungen würden allein im Raum Frankfurt in den kommenden zehn Jahren Kosten von rund 400 Millionen Euro entstehen. Deshalb, so Jochen Flasbarth, sei in allen stadtnahen deutschen Flughäfen ein Nachtflugverbot notwendig.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Leipziger Richter bei ihrer Urteilsverkündung zu einem ähnlichen Ergebnis kommen. Schon in der mündlichen Verhandlung signalisierte der Vorsitzende Richter Rüdiger Rubel, dass er eine frühere Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) für zulässig: Er kippte 17 Nachtflüge zwischen 23 und 5 Uhr. Die hessische Landesregierung hatte sie zuvor über einen Planfeststellungsbeschluss genehmigt, der die Erweiterung des Frankfurter Flughafens um eine vierte Landebahn regelt.
Gegen die VGH-Entscheidung ging Hessen in Revision - wahrscheinlich ohne Erfolg. Die Anwohner hätten ein Anrecht auf Ruhe, sagte Rubel. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass Deutschlands größter Flughafen in der "Champions League" spiele.

Die absehbare Entscheidung sorgt bislang vor allem in der Frachtflugbranche für Unruhe. Nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) wird mehr als die Hälfte der deutschen Luftfracht von Frankfurt aus verschickt, davon etwa ein Drittel über Nachtflüge. Die hält Branchen-Primus Lufthansa Cargo für unverzichtbar. "Sollte das Nachtflugverbot bestehen bleiben, so kostet uns das 40 Millionen Euro und entzieht uns die Mittel, um am Standort zu wachsen", sagte ein Sprecher.

Sein Vorgesetzter drückte es kürzlich noch drastischer aus: Langfristig müsste sich das Unternehmen eventuell ganz von seiner Frachterflotte trennen, warnte Lufthansa-Cargo-Chef Karl Ulrich Garnadt. Lufthansa transportiert nur die Hälfte der Fracht mit speziellen Flugzeugen, der Rest wird im Laderaum von Passagiermaschinen mitgenommen. Deshalb, so Garnadt, könne das Frachtgeschäft auch nicht ohne weiteres verlegt werden. Vorerst scheinen sich die Sorgen des Unternehmens allerdings noch in Grenzen zu halten: Für den Sommer weitete es die Frachtflüge trotz möglichen Verbots aus.

Mehr Passagiere als Fracht

Doch nicht nur Frachtflüge könnten von der Entscheidung aus Leipzig betroffen sein. Die Richter machten deutlich, dass sie auch bei den sogenannten Nachtrandstunden von 22 bis 23 Uhr sowie von 5 bis 6 Uhr Handlungsbedarf sähen. Verhindert werden soll, dass sich allein in diesen beiden Stunden jene 150 Flüge ballen, die laut Planfeststellungsbeschluss für die gesamte Nacht vorgesehen waren. So deutete Richter Rubel bereits an, zumindest die 17 untersagten Nachtflüge müssten abgezogen werden.

In den Nachtrandstunden aber sind reine Frachttransporte in der Unterzahl. Am frühen Morgen machten sie im Sommer nur zehn von 31 Flugbewegungen aus, teilte Flughafenbetreiber Fraport auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE mit. Am späten Abend sind es sogar nur sechs von 57 Flügen. Stattdessen werden um diese Uhrzeit vor allem Passagiere transportiert, laut Flughafen vor allem solche in Interkontinentalflügen.

Auch diese Passagierflüge könnten zumindest vorübergehend untersagt werden, glaubt Tobias Lieber. Der Rechtsanwalt vertritt in Leipzig die Stadt Rüsselsheim, die zu den Klägern gehört. "Wir erwarten eine gerichtliche Beanstandung auch der 150 Flugbewegungen in den beiden Nachtrandstunden", sagt Lieber.

Der Jurist verweist auf frühere Urteile des Bundesverwaltungsgerichts zum künftigen Flughafen Berlin Brandenburg sowie dem Flughafen Leipzig. Auch hier forderten die Richter deutliche Nachbesserungen für die Abend- und Morgenstunden. Diese dürften "nicht zum Tage werden", hieß es in Berlin. Im Urteil zum Flughafen Leipzig steht, ohne ein überzeugendes Lärmschutzkonzept könnte "jeder andere Flugverkehr, also auch der gewerbliche Passagierverkehr" zwischen 22 und 6 Uhr verboten werden.

Kein Gewinnerthema für die Regierung

Könnten nach dem Urteil am Mittwoch also auch Passagierflüge gestrichen werden? Bei der hessischen Landesregierung wollte man darüber vorab nicht spekulieren. "Wir schließen gar nichts aus", heißt es lediglich aus dem Verkehrsministerium.

Die schwarz-gelbe Koalition in Wiesbaden hat Grund zur Zurückhaltung. Selbst ein verschärftes Nachtflugverbot wäre aus ihrer Sicht wohl ein akzeptabler Preis dafür, dass der mehr als zehnjährige Streit um den Ausbau des Flughafens vorerst beendet ist. Ex-Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte das in einem mühsamen Vermittlungsverfahren ausgehandelte Nachtflugverbot offiziell unterstützt. Als er dann doch Ausnahmen beschließen ließ, fühlten sich viele Bürger getäuscht.

Kochs Nachfolger und Parteifreund Volker Bouffier bekennt sich zwar ebenso zum Verbot wie Verkehrsminister Dieter Posch (FDP). Doch ein Gewinnerthema ist der Fluglärm für die Koalition nicht. Innenminister Boris Rhein (CDU) unterlag kürzlich bei der Frankfurter Oberbürgermeister-Wahl gegen den SPD-Kandidaten Peter Feldmann. Während sich der Sozialdemokrat erfolgreich mit Forderungen nach einem umfassenden Nachtflugverbot profiliert hatte, war Rhein erst nach seiner Nominierung auf dieselbe Linie umgeschwenkt.Auch die Bundesregierung zeigte kurz vor der Urteilsverkündung den Versuch, sich von einer möglichen Niederlage zu distanzieren. Hessen hatte die 17 Nachtflüge auch deshalb erlaubt, weil das Bundesverkehrsministerium andernfalls Schäden für die deutsche Wirtschaft befürchtete. Der heutige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) lehnte nun in der "Süddeutschen Zeitung" ein Komplettverbot zwar erneut ab. Genauer aber wollte sich der Minister nicht festlegen. Es sei richtig, dass "die Länder vor Ort festlegen, welche Betriebszeiten zulässig sind".

Gericht setzt neue Hürde für Baumfällung

Stuttgarter Nachrichten, 05.01.2012

Stuttgart - Der Deutschen Bahn stellt sich bei ihrem Projekt Stuttgart 21 durch ein Urteil des Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim eine weitere Hürde. Die für den Bau des Tiefbahnhofs nötigen Baumfällarbeiten im Schlossgarten rücken damit nach Meinung des Bunds für Natur und Umweltschutz (BUND) in weite Ferne.

Der BUND hatte vergangenes Jahr gegen eine Änderung der Baugenehmigung bei Stuttgart 21 geklagt, weil er von der Bahn-Aufsichtsbehörde Eisenbahn-Bundesamt (Eba) nicht beteiligt worden war. Durch diese fünfte Änderung wurden vier im Schlossgarten geplante Grundwasser-Anlagen auf einen Platz beim früheren Omnibusbahnhof konzentriert. Der Verwaltungsgerichtshof hatte am 16. Dezember entschieden, dass das Eba den BUND wegen des Natur- und Artenschutzes hätte anhören müssen. Die Richter fassten auch eine Eilentscheidung. Seitdem darf an der zentralen Grundwasseranlage und deren 17 Kilometer langem Rohrleitungsnetz nicht mehr gearbeitet werden. Seit dem 16. Dezember warteten die Streitparteien BUND, Eba und die Bahn auf die schriftliche Urteilsbegründung. Am Mittwoch ging diese von Mannheim aus auf den Weg.

In dem Urteil, das unserer Zeitung vorliegt, heißt es nun, dass weitere Arbeiten an allen Teilen, die mit der zentralen Grundwasseranlage verbunden sind, unterbleiben müssen. Und weiter: "In diesem Umfang müssen Vollzugsmaß-nahmen vorläufig unterbleiben und dürfen insbesondere keine Baumfällarbeiten durchgeführt werden."

Ob alle Bäume erfasst sind, ist nicht klar

Die Bahn durfte schon zuvor keine Bäume fällen, weil sie seit dem 5. Oktober 2010 die vom Eba geforderte Maßnahmenplanung zum Schutz streng geschützter Arten wie dem Juchtenkäfer, Fledermäusen und Vögel bisher nicht vorgelegt hat. Dieses 15 Monate alte Problem wollte die Bahn aber bis kommende Woche gelöst haben. Dann sollte das Eba das Fällverbot aufheben.
Doch selbst wenn dieses Fällverbot nicht mehr existiert: Mit dem Urteil des VGH gibt es nun eine zweite Hürde. Erneut sind die Fällarbeiten blockiert. Ob damit alle 176 zu entfernenden Bäume erfasst sind, kann auch der BUND nicht sagen, wahrscheinlich handelt es sich nur um einen Teil davon.

"Uns liegt die Planung für die Rohrleitungen nicht vor", so der Landesgeschäfts-führer Berthold Frieß. Klar sei aber aus Sicht der Naturschützer, dass es keinen Polizeieinsatz im Schlossgarten geben könne, solange man nicht angehört worden sei. "Welche Zeit eine nachgebesserte Planung für das Grundwasser-management in Anspruch nimmt, ist unklar, aber ich wäre skeptisch, dass das in den nächsten zwei Monaten erledigt sein kann", sagt BUND-Anwalt Tobias Lieber. Die vegetationsfreie Zeit, in der ohne Ausnahmegenehmigung gefällt werden darf, läuft aber nur bis zum 28. Februar.

Die Bahn äußerte sich am Mittwoch trotz Nachfrage nicht zu dem neuen Sachverhalt. Sie hatte Beschädigungen an den Rohrleitungen im Unteren Schlossgarten zu beklagen - und sie bereitet den Abriss des Südflügels des alten Bahnhofs für kommenden Montag vor.

Streit um Stuttgart 21

Spiegel Online, 16.12.2011

Der Käferkampf geht weiter

Hamburg - Schlichtung, Stresstest, Volksentscheid: Egal, was die Gegner von Stuttgart 21 auch versucht haben - bislang konnten sie das Milliarden-Projekt nicht aufhalten, nur verlangsamen. Mit der Niederlage beim Volksentscheid vor drei Wochen schien ihr Kampf gegen den Bahnhof sogar endgültig gescheitert. Doch nun schöpfen die Widerständler neue Hoffnung. Der Grund ist ein kleines Insekt: der Juchtenkäfer. Zu seinem Schutz hat der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof wichtige Bauarbeiten gestoppt. Geklagt hatte der Umweltverband BUND.

Ein Käfer - bis zu vier Zentimeter groß und eher unscheinbar - stoppt ein Milliarden-Bauprojekt. Das spiegelt zum einen die Absurdität des Streits über Stuttgart 21 wider. Vor allem aber zeigt das Gerichtsurteil: Ein Selbstläufer wird dieses Projekt nicht mehr werden. Auch nach dem Überwinden politischer Hürden muss sich die Bahn auf weiteren Ärger mit dem einstigen Prestigeprojekt einstellen.

Denn der harte Kern der S21-Gegner gibt nicht auf. Sie setzen auf Kostensteigerungen und hoffen, das Projekt darüber stoppen zu können. Obwohl das derzeit eher unwahrscheinlich ist, dürfte der Bahn der neuerliche Baustopp äußerst ungelegen kommen. Wie lange er dauert, ist unklar. Ein Bahn-Manager, der namentlich nicht genannt werden will, rechnet mit drei bis vier Wochen Pause. Laut Experten könnten daraus aber auch drei Monate werden.

Denn nun beginnt wieder ein bürokratisches Verfahren: Die Richter haben den 5. Planänderungsbeschluss für "rechtswidrig und nicht vollziehbar" erklärt. Problem ist das Grundwassermanagement, das den Bau des Tiefbahnhofs in einer trockenen Grube sicherstellen soll. Dem Urteil zufolge berücksichtigt die Genehmigung die Folgen des Baus von Leitungen, Brunnen und Messstellen auf die Natur nicht ausreichend. Damit liegen nun zentrale Vorarbeiten auf Eis.

"Das wirbelt den Zeitplan der Bahn durcheinander"

Das Eisenbahn-Bundesamt muss nun die Baugenehmigung um Regelungen zum Artenschutz ergänzen. "Das wirbelt den Zeitplan der Bahn durcheinander", sagt Tobias Lieber, Anwalt des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), der die Klage eingereicht hat. Den Umweltschützern geht es nicht nur um den Juchtenkäfer. Lieber sagt, das Gericht habe generell in Frage gestellt, ob der Artenschutz bei der Planung des Tiefbahnhofs ausreichend berücksichtigt sei. Zum Beispiel seien auch Fledermäuse gefährdet. Solange das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) keine Maßnahmen beschließe, könne im Schlossgarten kein Baum mehr gefällt werden.

Die Behörde wollte am Freitag zunächst keine Prognose abgeben, wie lange die Prüfung dauern kann. Man nehme das Urteil zur Kenntnis, wolle aber zunächst die schriftliche Begründung abwarten, sagte ein Sprecher. Vertreter der Bahn gaben sich betont gelassen: Nach der Ergänzung der EBA sei mit "zusätzlichen Auflagen zum Artenschutz zu rechnen". Der für Januar geplante Abriss des Südflügels werde aber ebenso umgesetzt wie die Freimachung des Baufelds im mittleren Schlossgarten.

Bahn spielt Bedeutung des Urteils herunter

Der Bahn-Manager sagte, er gehe davon aus, dass die Baugrube wie geplant Anfang des Jahres ausgehoben werden könne. "Das Urteil ist ein Achtungserfolg für den BUND, es hat aber für das Projekt an sich keine Bedeutung und wird ihm auch nicht schaden."

Auch die Gefahr, dass S21 nun teurer werden könnte, spielte der Manager herunter. "Wir haben in den vergangenen zwei Jahren so viele Verzögerungen erlebt, da fallen diese paar Wochen kaum ins Gewicht."

Diese Haltung dürfte die S21-Gegner aber eher anstacheln. Landeschefin Brigitte Dahlbender sagte, die Bahn müsse bei geplanten Baumrodungen Anfang des Jahres ebenfalls Auflagen des Natur- und Artenschutzes beachten. Wenn sie das nicht tue, erwäge der Umweltverband weitere rechtliche Schritte.

Schießanlage weiter Thema

Südkurier, 14.12.2011

Herrischried (sav) Der Rechtsstreit um die Schießanlage im Sägemättlen geht weiter. Als Reaktion auf einen Zeitungsbericht veröffentlichte die Anwältin der Klägerseite, Alexandra Fridrich, nun eine Presseerklärung.

„Mit Unverständnis“ habe sie die Aussage von Bürgermeister Christof Berger zur Kenntnis genommen, das Urteil mache lediglich einen neuen Bebauungsplan nötig. Der Verwaltungsgerichtshof hatte den vorhabenbezogenen Bebauungsplan für unwirksam erklärt (wir berichteten). Fridrich betont, dass sich nach Aussage der Richter „der Standort für die dort bereits vorhandene und betriebene Anlage nicht eigne.“ Gründe dafür sind neben verfahrensrechtlichen Fehlern die Bedrohung eines Biotops und die Gefahr für Anwohner und Passanten durch Geschosse.

Fridrich wolle mit ihrer Presseerklärung „etwas klarstellen“. „Aus unserer Sicht läuft das nicht so einfach“, sagt die Anwältin. Die Urteilsbegründung führe „nicht ausräumbare Punkte“ an. Die Gemeinde Herrischried könne zwar versuchen, die notwendigen Unterlagen zu ändern und erneut einen Bebauungsplan beschließen, dagegen könnten die Anwohner allerdings erneut klagen. „Wir überlegen uns weitere Schritte“, kündigt Fridrich an. Außerdem seien die waffenrechtliche Genehmigung und die Baugenehmigung „nicht bestandskräftig“, stehen also noch aus. Das sei aber Sache des Landratsamtes Waldshut. Über eingelegte Widersprüche der Anwohner wurde laut Fridrich noch nicht entschieden. Ihre Kampfansage: „Wir werden an allen möglichen Punkten einhaken.“

Darüber, wie die Chancen für die Anwohner stehen, dass die Schießanlage entfernt werden muss, will die Anwältin keine konkrete Einschätzung abgeben. Sie sagt nur soviel: „Ich denke, wir sind in einer guten Position.“ Dass ein privater Bürger bei einer Klage gegen eine Gemeinde so eindeutig Recht bekomme, sei selten. Die Verteidigerin der Anklage richtet auch einen Appell an die Gemeinderäte: „Ich würde mir gut überlegen, ob ich noch mal versuche, die Anlage über einen Bebauungsplan zu genehmigen.“ Immer wieder einen neuen Bebauungsplan auszuarbeiten und damit immer wieder vor dem Verwaltungsgerichtshof zu scheitern sei zwar möglich, werfe jedoch ein schlechtes Licht auf die Gemeinde. Bürgermeister Christof Berger zeigt sich von der Reaktion der Anwältin nicht überrascht. Er nimmt das Urteil dennoch gelassen. „Ich gehe relativ entspannt an die Sache heran“, erzählt der Bürgermeister. „Wir sind gerade dabei, die baurechtlichen Grundlagen zu schaffen, dass die Anlage weiter betrieben werden kann. Man wird sich an dem Urteil orientieren. Die Planungshoheit liegt bei der Gemeinde und nicht bei den Anwohnern“, so Berger.

Anwältin: Bemühungen nicht nachvollziehbar

Badische Zeitung, 14.12.2011

Im "Sägemättlen"-Streit reagiert Klägerseite auf Christof Berger.

Herrischried: Mit Unverständnis hat die Rechtsvertretung des Klägers gegen den Bebauungsplan "Sägemättlen" auf die Ankündigung von Bürgermeister Christof Berger reagiert, für das Gebiet einen neuen Bebauungsplan aufstellen zu wollen. Der Verwaltungsgerichtshof habe eine ganze Fülle von Fehlern beanstandet, heißt es in einer Pressemitteilung der Kanzlei. Daher sei der Gedanke einer Neuaufstellung des Bebauungsplans "vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar".

Nach Auffassung der Antragsteller der Normenkontrollklage zeige das 60 Seiten starke Urteil deutlich, dass sich das Plangebiet nicht nur im Hinblick auf die problematische Erschließung und die nicht ohne Weiteres möglichen Absicherungsmaßnahmen "keineswegs als ideal, sondern eher als ungeeignet" darstelle.

Zudem, so die Freiburger Anwaltskanzlei, stünden dem Bebauungsplan "auf unabsehbare Zeit nicht ausräumbare rechtliche Vollzugshindernisse" entgegen. Im Einzelnen seien die fehlende Waldumwandlungsgenehmigung sowie der Biotopschutz zu nennen. Weil sich sowohl der eigens für das Vorhaben der Sport- und Freizeitanlage geänderte Flächennutzungsplan als auch der Bebauungsplan "Sägemättlen" auf den "nahezu inhaltsgleichen, ebenfalls ungenügenden Umweltbericht" stützen, seien beide Pläne aus Sicht des VGH unwirksam.

Der fordere umfangreiche Gutachten, die sich zu Fragen von Verkehr, Lärm und Naturschutz äußern müssen. Allerdings, so die Freiburger Anwältin Alexandra Fridrich weiter, sei es mehr als fraglich, ob diese Gutachten eine Realisierung des Projekts und damit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ermöglichten.

Bei der vom Gericht festgestellten Fülle an Fehlern sei zu bedenken, dass dieses Gericht auch über einen noch zu erlassenden Bebauungsplan erneut entscheiden könne, schreibt die Anwältin.

Bevor sich der Gemeinderat Herrischried erneut mit dem Thema befasse, so der Ratschlag aus Freiburg, sollten die Ratsmitglieder bewusst die Hinweise des Senats beachten, die das Gericht im Hinblick auf eine Neufassung des Bebauungsplans der Gemeinde gab. "Wer dann noch für die Neufassung des Bebauungsplans stimmt", so die abschließende Bemerkung der Pressemitteilung, müsse sich die Frage gefallen lassen, in wessen Interesse dies erfolge. "Zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger sowie der Gemeinde dürfte dies jedenfalls nicht sein."

Bürgermeister Christof Berger bleibt ob des Einwurfs der Klägerseite bei seiner Linie: "Die Gemeinde hat die Planungshoheit. Wir haben vom Gericht einige Dinge vorgegeben bekommen, die wir berücksichtigen werden." Man werde jetzt mit Planern und den Behörden erörtern, wie das Vorhaben baurechtlich doch noch in trockene Tücher gebracht werden kann. Dazu gehörte selbstverständlich auch die Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Belange.